Mindestens jede fünfte Familie in Deutschland ist nach Einschätzung des Klinikpersonals so stark belastet, dass die gesunde Entwicklung des Kindes gefährdet sein kann. Das ist das Ergebnis des am 9. September veröffentlichten ZuFa-Monitorings 2024 des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen. Für den Deutschen Caritasverband ist klar: Familien in schwierigen Lebenslagen brauchen verlässliche Unterstützung - und Babylotsinnen und -lotsen leisten hierzu einen unverzichtbaren Beitrag.
Von den 648.221 Kindern, die 2023 in Deutschland geboren wurden, wachsen mindestens 140.000 in Familien mit erheblichen psychosozialen Belastungen auf. Besonders betroffen sind Kinder in Haushalten, die auf Grundsicherung angewiesen sind. Dass der Anteil schwer belasteter Familien steigt, verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf.
Geburtskliniken sind zentrale Orte der frühen Hilfe: Hier lassen sich Belastungen erkennen und Eltern gezielt unterstützen. Babylotsinnen und -lotsen sind dafür speziell qualifiziert. Sie arbeiten eng mit dem medizinischen Team auf den Stationen zusammen, kennen das Hilfesystem vor Ort und sorgen dafür, dass aus Überforderung keine Kindeswohlgefährdung wird.
Doch trotz nachgewiesenem Erfolg ist die Finanzierung unsicher: Mehr als die Hälfte der Lotsendienste arbeitet auf befristeter Grundlage. Zwar beteiligen sich in 72 Prozent der Kliniken Mittel der Bundesstiftung Frühe Hilfen, doch deren Budget stagniert seit 2012 bei 51 Millionen Euro - trotz steigender Kosten und wachsender Bedarfe. Dieses Missverhältnis gefährdet zentrale präventive Angebote.
Dabei liegen die Fakten auf dem Tisch: In 80 Prozent der Kliniken haben Lotsendienste die Zufriedenheit von Eltern und Fachkräften verbessert und die Vermittlung belasteter Familien in Hilfsangebote deutlich gestärkt. Allein 2024 wurden in rund 100 Kliniken über 40.000 Familien beraten, in 428 Fällen bestätigte sich der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung.
Unsere Forderungen an die Bundesregierung:
- Gesetzliche Regelfinanzierung von Lotsendiensten in Geburtskliniken - damit diese dauerhaft, flächendeckend und verlässlich wirken können,
- Sicherung ausreichender finanzieller Mittel für die Frühen Hilfen auf Bundes- und Landesebene.
Die Realität ist alarmierend: 2023 wurde bei mindestens 63.700 Kindern eine Kindeswohlgefährdung festgestellt - ein neuer Höchststand. Jeder einzelne Fall bedeutet Leid für die Betroffenen und verursacht volkswirtschaftliche Folgekosten von mindestens 400.000 Euro. Das summiert sich auf 25,48 Milliarden Euro.
Demgegenüber stehen Kosten von lediglich 56 Euro pro Geburt für einen Lotsendienst. Schon mit 38 Millionen Euro jährlich ließe sich eine bundesweite Regelausstattung sichern - eine Investition mit maximalem Nutzen für Kinder, Eltern und Gesellschaft.
Das ZuFa Monitoring Geburtskliniken 2024 des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen ist eine repräsentative Befragung von Mitarbeitenden in Geburtskliniken mit mehr als 300 Geburten im Jahr. Die Datenerhebung wurde vom Deutschen Krankenhausinstitut DKI durchgeführt. Eine vergleichbare Studie wurde bereits 2017 durchgeführt; die aktuellen Ergebnisse ermöglichen also auch einen Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre.
Der Deutsche Caritasverband setzt sich seit mehr als zehn Jahren gemeinsam mit der Stiftung SeeYou für Babylotsen in Geburtskliniken ein; unterstützt werden sie dabei von der Auridis Stiftung. Lotsendienste ermöglichen den Zugang zu fast allen Familien, weil 98% der Kinder in Geburtskliniken geboren werden. Sie bilden daher einen elementaren Baustein in der präventiven Arbeit für Familien, damit auch Kinder aus prekären Lebenslagen gesund aufwachsen können.