Anlässlich des heutigen Koalitionsausschusses und der aktuellen Debatte zur Zukunft des Sozialstaats plädiert der Deutsche Caritasverband für eine gemeinsame Anstrengung von Politik und Zivilgesellschaft: "Es geht darum, die drängenden Herausforderungen richtig zu bewerten, tragfähige Lösungen zu entwickeln und das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Institutionen des deutschen Sozialstaatsmodells zu stärken", so Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa.
"Angesichts der nahenden demographischen Kipp-Punkte ist der Reformbedarf in der Sozialpolitik groß - aber es gibt keinerlei Anlass für einen ‚Kahlschlag‘", betont Welskop-Deffaa. "Anstatt Angst und Sozialneid zu schüren, ist es entscheidend, jetzt an die Solidarität und gemeinsame Verantwortung zu appellieren. Unser Sozialstaat lebt vom Füreinander und Miteinander der Generationen und davon, dass starke Schultern bereit sind, größere Lasten zu tragen."
Insbesondere in der Renten- und der Pflegeversicherung erfordert die Umlagefinanzierung eine Antwort auf die Frage, wie die Leistungserwartungen der älteren Generation und die Beitragslasten der jungen perspektivisch zueinander in Beziehung gesetzt werden. "Es braucht ein Ethos beziehungsreicher Generationengerechtigkeit. Ebenso gehört die Solidarität der Leistungsstarken zu unserem Sozialstaat. Reformen gelingen nur, wenn es einen politischen Willen gibt, diesen Sozialstaat zukunftsfähig zu erhalten," unterstreicht Welskop-Deffaa.
Wer mit Sozialstaatsreformen nicht die Zerstörung des Sozialstaats meint, sondern seine dynamische Weiterentwicklung, muss die grundlegenden Erfolgsfaktoren bewahren: Dazu gehört die Balance zwischen staatlicher Verantwortung einerseits und subsidiärer Verantwortung des Einzelnen andererseits. Sie spiegelt ein Menschenbild wider, das nicht auf Abhängigkeit von öffentlicher Fürsorge, sondern auf Selbstsorge und Solidarität setzt.
Aus Sicht des DCV muss die Koalition daher rasch umsetzen, was im Koalitionsvertrag angekündigt ist - eine Ausweitung des Versichertenkreises auf Menschen mit hybriden Erwerbsverläufen. Auch Einkommen aus selbstständiger Arbeit müssen der Beitragspflicht unterliegen.
Bei der Absicherung des Pflegerisikos muss die Entscheidung für eine Teilkaskoversicherung generationengerecht überprüft werden. Menschen, die für ihr Pflegerisiko mit dem Bau eines kleinen Häuschens vorgesorgt haben, tun sich - wenn es soweit ist - schwer, das Haus für die Kosten der Pflege einzusetzen, das sie viel lieber den Enkeln vererben möchten. "Wir brauchen eine Neujustierung zwischen solidarischer Absicherung in der Pflegeversicherung und persönlicher Vorsorge, damit die Angst vor Pflegebedürftigkeit und davor, der Familie und der Gesellschaft zur Last zu werden, nicht wächst. Die von der Antidiskriminierungsstelle identifizierten Erfahrungen von Altersdiskriminierung, die immer mehr Menschen machen, zeigen, wie dringend der Handlungsbedarf ist," so Welskop-Deffaa.