Gemeinsam in einem Boot
Freude und Gemeinschaft schon bei der Anreise und auch beim Rahmenprogramm. Selbst wenn das Wetter nicht so gut ist, es macht richtig Spaß.Foto: Achim Pohl
Seehummeln, Pott-Piraten, Flandersdrachen, Freckenhorster Gondelpiraten, Grazile Seegurken - wer hinter diesen kuriosen Namen Karnevalsvereine vermutet, hat sich geirrt. Aber einfallsreich verkleidet sind einige Teams zweifelsohne, die bei der diesjährigen inklusiven Drachenbootregatta auf dem Essener Baldeneysee gegeneinander antreten, wie zum Beispiel die Paddler vom Hellweg- Express, deren blaue Stoffkappen zwei wikingerartige Hörner zieren.
Insgesamt 16 Teams aus Essen und darüber hinaus finden sich an diesem Sommermorgen um acht Uhr an der Regattastrecke am Baldeneysee ein, um in zwei Durchläufen das Siegerteam des inklusiven Drachenbootrennens zu ermitteln. Das Besondere daran: Menschen mit und ohne Behinderung sitzen gemeinsam im Boot. Von ihren mitgereisten Fans werden sie vom Ufer aus teils euphorisch angefeuert - trotz durchwachsenem Wetter.
Inklusives Drachenbootrennen hat Tradition
Schon seit fast 20 Jahren gibt es die inklusive Regatta, wie Joachim Menzel, Geschäftsführer der Rhein-Ruhr-Sport GmbH, berichtet. Gemeinsam mit dem DJK-Sportverein des Franz Sales Hauses, eines großen Trägers der Behindertenhilfe in Essen, richtet er das Rennen aus. Die Idee entstand 2005 abends am Bierstand, nachdem zum zweiten Mal die Drachenbootregatta am Baldeneysee erfolgreich über die Bühne gegangen war: "Damals fragte mich der sportliche Leiter der DJK Franz Sales Haus, Ewald Brüggemann, ob man eine solche Drachenbootregatta nicht auch für Menschen mit Behinderung anbieten könne. Das Problem sei nur, dass Menschen mit Behinderung oft körperlich nicht so fit seien und deshalb Gefahr liefen, immer als Letzte ins Ziel zu fahren. So ist die Idee geboren, eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen, bei der Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam im Boot sitzen."
Wichtig im Drachenboot sind Ausgewogenheit und Synchronität! Alle im Boot sollten das Paddel im Takt schwingen.Foto: Achim Pohl
Zur Vorbereitung ins Schwimmbad
Aus ganz NRW sind in diesem Jahr wieder die Drachenbootfreundinnen und -freunde angereist, unter anderem aus Herne, Wuppertal, Bad Oeynhausen und Freckenhorst. Einen längeren Weg hat auch das aus dem westfälischen Kamen kommende Team von den Hellweg-Werkstätten auf sich genommen. Die Hellweg-Werkstätten bieten an mehreren Standorten Arbeitsmöglichkeiten in verschiedenen Berufsfeldern für Menschen mit Behinderungen an. Kapitän Christian Merschmann (41), der dort als Bildungsbegleiter tätig ist, war schon um sieben Uhr morgens am Baldeneysee, um alles vorzubereiten und den Pavillon für die Mannschaft aufzubauen. Neben 14 Paddelnden sind auch zehn Fans mitgereist. "Alle, die im Boot sitzen, müssen vorher unter Beweis stellen, dass sie 100 Meter am Stück schwimmen können. Deswegen waren wir mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Tag im Schwimmbad, wo sie diesen Leistungsnachweis erbringen konnten", erzählt Merschmann. Aber zur Vorbereitung habe auch gehört, einmal in einem Boot zu sitzen und zu lernen, mit einem Paddel umzugehen.
"Are you ready? - Attention! - Go!"Foto: Achim Pohl
Schülerinnen und Schüler helfen ehrenamtlich
Die fehlenden Plätze im Boot - mit Trommler sind es 19 - werden durch Schülerinnen und Schüler des katholischen Gymnasiums B.M.V. aus Essen aufgefüllt, die mit großer Begeisterung tatkräftig unterstützen. Zu tun gibt es viel: den Menschen mit Beeinträchtigung ins Boot helfen, Schwimmwesten anlegen, mitpaddeln oder trommeln, Wasser aus den Booten schöpfen, die Musikanlage bedienen, Lunchpakete verteilen, Blutdruck messen und vieles mehr. Carolina ist eine von den Freiwilligen. Sie betreut mit ihrer Freundin Liv einen Informationsstand: "Auch wenn das Wetter nicht so gut ist, es macht richtig Spaß - vor allem das Paddeln. Beim letzten Rennen sind wir eingesprungen, und unser Team hat gewonnen. Da war eine Bombenstimmung!"
Dabei sein ist alles
Für den zweiten Durchlauf dürfen sich die Teams jetzt erst mal stärken. Obst, Brötchen und Müsli-Riegel gibt es. Wer Pommes und Würstchen essen möchte oder Lust auf ein Eis hat, kann sich am Verpflegungsstand vom "Franz", einem inklusiv geführten Hotel des Essener Franz Sales Hauses, versorgen. Die Begeisterung ist jedenfalls ungebrochen, als die Wikinger vom Hellweg-Express ein zweites Mal antreten. Mit einer Zeit von 1 Minute und 34 Sekunden fahren sie beim Winners-Cup im A-Finale auf den zweiten Platz, gleich hinter dem Team Eggers, das mit sechs Sekunden Vorsprung gewinnt. Mit ihrer Leistung sind sie hochzufrieden und ganz sicher beim nächsten Mal wieder dabei.