Beratungsangebote für zugewanderte Menschen in Kassel akut
gefährdet - Teil eines bundesweiten Problems
Migrationsdienste schlagen Alarm: Unterfinanzierung bedroht Integration und sozialen Frieden
Kassel, 26.05.2025 - Die Migrationsdienste in Stadt und Landkreis Kassel befinden sich in einer bedrohlichen finanziellen Situation - ein Problem, das sich bundesweit und Trägerübergreifend zeigt und die Integrationsarbeit gefährdet. In einem gemeinsamen Positionspapier warnen die Träger der Beratungsdienste in der Region Kassel - Diakonisches Werk, Kulturzentrum Schlachthof, Internationaler Bund und Regionalcaritasverband Nordhessen-Kassel - vor den Folgen der chronischen Unterfinanzierung, die exemplarisch für die Lage in ganz Deutschland steht.
"Ohne planbare und angemessene Finanzierung wird Integration dem Zufall überlassen - mit unkalkulierbaren gesellschaftlichen Folgekosten", erklärt Johannes Bleck, Geschäftsführender Regionalleiter des Caritasverbandes Nordhessen-Kassel und Ligavorsitzender. "Unsere Beratungsdienste leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Wahrung des sozialen Friedens, zum Ausbau gelingender Integration und für eine bessere Arbeitsplatzvermittlung. Was wir in Kassel erleben, spiegelt die Situation im ganzen Bundesgebiet wider."
Alarmierende Zahlen - in Kassel und bundesweit
Die aktuelle Finanzlage der Beratungsdienste in der Region Kassel ist dramatisch und spiegelt die bundesweite Problematik wider:
- Bei der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE) beträgt das Defizit bereits 220.000 Euro, was einem Eigenanteil der Träger von fast 32 Prozent entspricht - die Träger als Dienstleister für den Bund zahlen also dafür, dass sie ein entsprechendes Angebot vorhalten!
- Beim Jugendmigrationsdienst (JMD) fehlen 94.000 Euro, ein Eigenanteil von über 11 Prozent.
Diese Finanzierungslücken wachsen weiter, da Preis- und Tarifsteigerungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Gleichzeitig nehmen die Beratungszahlen stetig zu - allein im ersten Halbjahr 2024 stieg die Zahl der Ratsuchenden um 8,4 Prozent, während die Personalstellen nur um 2,7 Prozent aufgestockt wurden.
"Die Zahlen aus unserer Region sind ein Alarmsignal," erklärt Mirko Zapp, Geschäftsführer des Kulturzentrums Schlachthof. "Die Politik betont richtigerweise die Bedeutung einer gelungenen Integration und doch müssen wir als Träger immer größere finanzielle Lasten schultern. Mit Blick auf andere Bundesländer wird deutlich: Die Situation in Kassel ist kein Einzelfall, sondern zeigt ein strukturelles Problem."
Existierende Bundesprogramme bieten alle notwendigen Strukturen
Die Träger betonen, dass die bestehenden Bundesprogramme MBE und JMD bereits alle Strukturen und Kompetenzen besitzen, um die gewünschten Integrationserfolge zu erzielen - wenn sie denn ausreichend finanziert würden.
"Wir brauchen keine neuen Integrationsprogramme oder Modellprojekte, sondern Planungssicherheit für die etablierten Angebote durch langfristige Finanzierungszusagen", betont Tamara Morgenroth, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Region Kassel. "Die Beratungsdienste MBE und JMD verfügen über jahrelange Expertise, bewährte Netzwerke und qualifizierte Fachkräfte. Die Verstetigung und Stärkung dieser Strukturen schont nicht nur heute Ressourcen, sondern wirkt auch langfristig durch gelungene Integration."
Andreas Mannsbarth, Bereichsleiter beim Internationalen Bund, ergänzt: "Unsere Mitarbeitenden sind Experten für Aufenthaltsrecht, Arbeitsmarktintegration und interkulturelle Vermittlung. Sie kennen die lokalen Strukturen, haben das Vertrauen der Zielgruppen und arbeiten eng mit Behörden, Bildungseinrichtungen und Unternehmen zusammen. Diese gewachsenen Strukturen lassen sich nicht einfach ersetzen oder neu aufbauen."
Forderungen
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in der Region Kassel fordert:
- Erhöhung der Fördermittel zur Sicherung der bestehenden Beratungsangebote
- Zusätzliche Mittel aus Landesmitteln zum Auffangen des steigenden Bedarfs
- Dynamische Anpassung des Fördervolumens an die wirtschaftliche Entwicklung
- Überführung der Finanzierung vom Projektstatus in eine dauerhafte, gesicherte
Finanzierung - Verzicht auf neue, parallele Programmstrukturen zugunsten der Stärkung bestehender
Beratungsdienste
"Stellen Sie sich vor: Ab morgen machen alle Migrations- und Fluchtberatungsdienste in Kassel, Hessen oder ganz Deutschland zeitgleich dicht - was dann?", fragen die Unterzeichner des Positionspapiers abschließend. "Statt neue Programmstrukturen zu entwickeln, sollten wir die bewährten Dienste stärken und ausbauen. Denn sie leisten genau die Integrationsarbeit, die politisch gewünscht ist - wenn man sie denn lässt."
Über die Migrationsberatungsdienste
In Stadt und Landkreis Kassel haben die Migrationsberatungsdienste im Jahr 2024 über 4.000 Menschen beraten und unterstützt - von der Aufenthaltssicherung über Spracherwerb und berufliche Integration bis hin zu Gesundheitsversorgung und Wohnungssuche. Sie leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Integration und zur Fachkräftesicherung.
Die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE) und der Jugendmigrationsdienst (JMD) sind bundesweit etablierte Programme, die durch ihre Arbeit nicht nur einzelnen Menschen helfen, sondern auch gesamtgesellschaftlich positive Effekte erzeugen - durch schnellere Arbeitsmarktintegration, geringere Transferleistungen, reduzierte Verwaltungskosten und eine höhere gesellschaftliche Teilhabe zugewanderter Menschen.