Das Alter einer schutzsuchenden Person ist bestimmend für Rechte und Pflichten sowohl für diese selbst als auch für staatliche Stellen. Daher besteht ein berechtigtes Interesse des Staates sowie des jungen Menschen an der Feststellung des Alters. Wenn nach der Einreise einer jungen schutzsuchenden Person Zweifel an deren Minder- oder Volljährigkeit bestehen, ist in vielen Fällen eine Altersfeststellung notwendig. Allerdings gibt es - sofern Dokumente, aus denen das Alter eindeutig hervorgeht, fehlen - keine Methode, mit welcher das Alter junger Menschen zweifelsfrei bestimmt werden kann.
Das Thema sorgt seit Beginn des Jahres für eine kontroverse Debatte. Von Politikerinnen und Politikern aus Bund und Ländern wurden verschiedene Forderungen nach gesetzlichen Änderungen der Verfahren zur Altersfeststellung erhoben. Der öffentliche Diskurs, in dem die Sorge genährt wird, Alterseinschätzungsverfahren liefen in einem ungeregelten Rahmen ab, und die Verbindung dieses Themas mit Straftaten junger Schutzsuchender, sind einer faktenbasierten Erörterung abträglich. Dass die rechtlich geregelte Altersfeststellung zuerst der Identifizierung von Schutzbedürftigkeit dient, gerät dabei aus dem Blick.
Daher wird in der folgenden Positionierung die derzeitige Situation zum Themenkomplex Alterseinschätzungsverfahren in Deutschland nochmals beschrieben und bewertet. Zur Altersfeststellung hat der Deutsche Caritasverband (DCV) bereits 2014 umfangreich Stellung bezogen (in: Fluchtpunkte 02/2014). Der DCV begrüßt, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher 2015 ein Verfahren beschlossen hat, welches die Altersfeststellung im Rahmen der Jugendhilfe regelt.
Für den DCV sind für die laufende Debatte einige Aspekte von besonderer Bedeutung:
- Wenn eine behördliche Altersfeststellung durchgeführt wird, sollte sie im Sinne des Kindeswohls grundsätzlich durch das (erstaufnehmende) Jugendamt vorgenommen werden. Die Entscheidung des erstaufnehmenden Jugendamtes sollte Bindungswirkung für alle Behörden Der Rechtsschutz muss trotz der Entscheidungshoheit des Jugendamts (im Bereich der Exekutive) durch eine gerichtliche Überprüfbarkeit (im Bereich der Judikative) weiterhin gewährleistet bleiben. haben.
- Der Vorschlag, Alterseinschätzungsverfahren in AnkER-Einrichtungen vorzunehmen, sollte nicht weiter verfolgt werden. Eine möglicherweise aus langwierigen Verfahren resultierende Unterbringung von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen in AnkER-Zentren dient nicht dem bestmöglichen Schutz dieser besonders vulnerablen Personengruppe.
- Wenn eine schutzsuchende Person nicht ausweislich jünger oder älter als angegeben ist, sollten alle Behörden zunächst vom angegebenen Alter dieser Person ausgehen. Wenn Zweifel am angegebenen Alter bestehen, sollten Altersfeststellungen prinzipiell gemäß den Vorgaben von § 42 f SGB VIII durch qualifizierte Fachkräfte des Jugendamts vorgenommen werden. Dabei ist sichergestellt, dass die Ermittlung des Alters unter Anwendung ganzheitlicher Untersuchungsmethoden erfolgt und die Methode mit der geringsten Belastung und Eingriffsintensität für den jungen Menschen priorisiert wird.
- Keine der bekannten ärztlichen Untersuchungsmethoden ermöglicht eine hinreichend zuverlässige Altersfeststellung. Wie bereits bei Alterseinschätzungsverfahren im Rahmen der Inobhutnahme sichergestellt ist, sollten ärztliche Methoden der Altersschätzung daher generell nur als letztes Mittel zur Altersfeststellung gestattet sein und nur dann durchgeführt werden, wenn andere Informationsquellen und Mittel der Altersschätzung zuvor ausgeschöpft wurden und weiterhin Zweifel am Alter einer Person bestehen. Wenn ärztliche Untersuchungen zur Altersfeststellung durchgeführt werden, sind sie mit den medizinisch schonendsten sowie zuverlässigsten Methoden von qualifizierten Ärzt(inn)en durchzuführen.
- Die Beweislast bezüglich des Alters muss auch weiterhin auf staatlicher Seite liegen. Im Zweifel ist zu Gunsten des bzw. der Betroffenen davon auszugehen ist, dass diese(r) noch minderjährig ist.
- Gesetzgeber und Exekutive müssen Verantwortung für junge Schutzsuchende und Flüchtlinge übernehmen. Notwendig sind Regelungen und Maßnahmen, die ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit gerecht werden und sicherstellen, dass sie eine angemessene individuelle Unterstützung finden.
Die Broschüre "Gesetzliche Regelung zur Bestimmung des Alters bei unbegleiteten minderjährigen Schutzsuchenden" kann kostenlos beim Deutschen Caritasverband, Referat Migration und Integration, Raphaela Völkle, Raphaela.Voelkle@caritas.de, 0761-200-358, bestellt oder unter folgendem Link als Download abgerufen werden: www.caritas.de/fluchtpunkte.