Integrationsverständnis der Caritas
Die Caritas setzt sich seit ihrer Gründung für die Interessen und die Teilhabe von Eingewanderten, für Solidarität und ein gutes Miteinander in Deutschland ein. Zusammenhalt und die Begegnung von Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt sind Kernbestandteile der christlichen Identität und gehören zu den Grundlagen einer humanen Migrations- und Integrationspolitik.
Integration als wechselseitigen und vielschichtigen Prozess verstehen
Der Begriff Integration ist schillernd. Nach dem Integrationsverständnis der Caritas die Gewährleistung von Teilhabe ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt von Integration. Caritas meint mit Integration das Zusammenleben in Vielfalt und Einheit. Hierfür bedarf es einer umfassenden selbstbestimmten wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Teilhabe und die gemeinsame Gestaltung der Gesellschaft. Demokratische Werte und Menschenrechte bilden den Rahmen; gegenseitige Anerkennung, Respekt und Achtung sind unverzichtbar. Um dies zu erreichen, sind wechselseitige und vielschichtige Prozesse, wie Aushandlungs- und Veränderungsprozesse, notwendig, die sich in der Gesellschaft und zwischen ihren einzelnen Angehörigen abspielen.
Den Menschen in seiner Würde schützen
Das Engagement der Caritas wurzelt insbesondere in der Überzeugung, dass die Menschenwürde unantastbar ist. Das Wissen um die Gleichwertigkeit eines jeden Menschen schärft die Sensibilität für das Schicksal von Menschen unabhängig von ihrer religiösen oder nationalen Zugehörigkeit oder ihrem Rechtsstatus. Die Menschenwürde und die Menschenrechte müssen Grundlage und Maßstab für die Migrations- und Integrationspolitik sowie den Flüchtlingsschutz, deren rechtliche Ausgestaltung und Umsetzung in der Praxis sein.
Zehn zentrale Themenfelder
Die Publikation "Miteinander leben - Positionen des Deutschen Caritasverbandes zu Migration und Integration" umfasst neben den "Grundlagen einer humanen Migrations- und Integrationspolitik" zentrale Aussagen und Positionen zu den folgenden Themenfeldern:
- "Heimat schaffen für alle"
- „Vielfalt achten – Dialog und Begegnung fördern“
- "Chancengerechtigkeit verwirklichen - Diskriminierung abbauen"
- "Bildungsgerechtigkeit herstellen"
- "Ausbildung fördern, Arbeitsmarkt öffnen"
- "Das Recht auf umfassende medizinische Versorgung garantieren"
- "Familien schützen und stärken"
- "Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität"
- "Menschenhandel bekämpfen, Opfer schützen"
- "Faire und menschenrechtsorientierte Migrations- und Flüchtlingspolitik"
Heimat schaffen für alle
Der Deutsche Caritasverband setzt sich für ein Miteinander aller in Deutschland lebenden Menschen ein. Alle sind aufgefordert, eine Gesellschaft aktiv mitzugestalten, die auf Anerkennung, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung setzt und rechtliche Hindernisse abbaut.
Heimisch werden - heimisch sein
Der Begriff "Heimat" eignet sich als Synonym für unterschiedliche Vorstellungen von Dazugehören oder Zuhausesein. Entscheidend für Beheimatung sind ein gemeinsam entwickeltes Verständnis dessen, was zusammenhält, und politische wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die das Zusammengehörigkeitsgefühl befördern.
Wir-Gefühl entwickeln und Verantwortung teilen
Integration und das Gefühl von Zusammengehörigkeit in einer durch Vielfalt geprägten Gesellschaft erfordert die Bereitschaft aller, sich mit Respekt und Achtung zu begegnen, Gemeinsamkeiten zu erkennen und zu teilen und mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Dies kann insbesondere dadurch gefördert werden, dass alle Partizipationsmöglichkeiten haben und Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen können.
Integratives Recht schaffen - rechtliche Barrieren abbauen
Beheimatung in einer Gesellschaft ist auch von den gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. Der Deutsche Caritasverband setzt sich für ein teilhabeorientiertes und integratives Rechtssystem ein, das nicht von Misstrauen und Abwehr geprägt ist, sondern Ausländer_innen als Träger von Rechten und Kompetenzen wahrnimmt und über Einbürgerung den Weg zu voller rechtlicher Teilhabe eröffnet.
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Vielfalt achten - Dialog und Begegnung fördern
Kulturelle, ethnische, soziale, religiöse und politische Vielfalt sind gesellschaftliche Realität in Deutschland. Der Deutsche Caritasverband fordert einen konstruktiven Umgang mit dieser Vielfalt.
Vielfalt anerkennen
Vielfalt anzuerkennen und zu achten ist Voraussetzung für gelingende Integration. Der Deutsche Caritasverband unterstützt einen gesamtgesellschaftlichen Verständigungsprozess über die Grundlagen dieser Gesellschaft und ein respektvolles Miteinander.
Mit Vielfalt umgehen
Zu einem konstruktiven Umgang mit Vielfalt gehören gegenseitiger Respekt und offene Diskurse über Kultur, Religion und die damit verbundenen Werte ebenso wie die Förderung von Vielfaltskompetenz in der Gesellschaft und ihren Institutionen.
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Chancengerechtigkeit verwirklichen - Diskriminierung abbauen
Der Deutsche Caritasverband setzt sich für die Herstellung von Chancengerechtigkeit ein und tritt Diskriminierung entgegen. Gleiche Zugangs- und Lebenschancen aller Menschen in allen gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich relevanten Bereichen sichern den sozialen Frieden und stärken das Gemeinwesen.
Sich der Diskriminierung bewusst werden
Der Zugang zu Chancen wird auch durch ausgrenzende Strukturen, durch institutionelle und individuelle Diskriminierung versperrt. Diese Ungerechtigkeit muss analysiert und deutlich gemacht werden. Die Gesellschaft muss hierfür sensibilisiert werden, um Veränderungsprozesse anzustoßen.
Ausgrenzende Strukturen abbauen - chancengerechte Teilhabe ermöglichen
Chancengerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen herzustellen, muss ein gesamtgesellschaftliches Ziel werden. Der gleichberechtigte Zugang zu Chancen und der Abbau von ausgrenzenden Strukturen müssen sowohl gesetzlich gesichert als auch im Alltag umgesetzt werden.
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Bildungsgerechtigkeit - Potenziale stärken und individuell fördern
Bildung ist ein Schlüssel zu persönlichen, sozialen, materiellen, religiösen und ethisch-moralischen Entwicklungsmöglichkeiten. Sie eröffnet Zugänge zu gesellschaftlicher und politischer Teilhabe. Der Deutsche Caritasverband setzt sich für ein Bildungssystem ein, das kulturelle Vielfalt als Potenzial erkennt, interkulturell kompetent arbeitet und Diskriminierung abbaut.
Bildungsgerechtigkeit herstellen
Der menschenrechtliche Anspruch auf Bildung verpflichtet den Staat, dafür Sorge zu tragen, dass alle Menschen in Deutschland einen gleichberechtigten, diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung haben. Diversitätssensible Kompetenzen im Bildungssystem müssen gestärkt, Mehrsprachigkeit gefördert werden.
Schulen müssen ihre Verantwortung für jedes Kind wahrnehmen
Alle Kinder müssen die tatsächliche Möglichkeit des Schulbesuchs haben. Soziale Unterschiede, Ausgrenzungen und Diskriminierungen müssen in einem (lern)förderlichen Umfeld aufgefangen und abgebaut werden. Alle Schüler_innen müssen die gleichen Chancen haben.
Wir brauchen Bildung ein Leben lang
Der Mensch hört nicht auf zu lernen und sich auf neue Herausforderungen einzustellen. Es gilt, Potenziale und Fähigkeiten auch in der Erwachsenenbildung zu fördern. Es müssen geeignete Angebotsformen für politische Bildung entwickelt werden, die alle Menschen erreichen, für gesellschaftliche Vielfalt sensibilisieren und dazu ermutigen, sich einzubringen.
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Ausbildung fördern, Arbeitsmarkt öffnen
Der Zugang zum Erwerbsleben ist ein wesentlicher Schlüssel für Teilhabe. Jeder Mensch sollte unabhängig von seiner Herkunft gleiche Chancen beim Zugang zu Ausbildung und Arbeit haben. Der Deutsche Caritasverband setzt sich deshalb für den Abbau von rechtlichen Hürden, Vorurteilen und ausgrenzenden Strukturen ein.
Ausbildung fördern
Der Deutsche Caritasverband fordert den gleichberechtigten Zugang zur betrieblichen und schulischen Ausbildung unabhängig von der Herkunft. Notwendig ist die Erhöhung der Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch spezifische, bedarfsorientierte Unterstützungsangebote. Es gilt, Betriebe als Lernorte und als Kooperationspartner zu gewinnen. Ausbildungsbegleitende Hilfen der Arbeitsförderung sind im Bildungssystem stärker zu verankern.
Arbeitsmarkt öffnen
Der Arbeitsmarkt muss für alle Ausländer_innen mit Aufenthaltstitel, Aufenthaltsgestattung oder Duldung offen stehen. Sofern es Beschränkungen gibt, dürfen diese nur von arbeitsmarktspezifischen und nicht von ausländerrechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen müssen ausgebaut werden. Die Verfahren zur Anerkennung mitgebrachter Qualifikationen müssen beschleunigt und entbürokratisiert werden.
Arbeitnehmer_innenrechte stärken
Die Rechte von Arbeitnehmer_innen müssen gestärkt werden, um ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen entgegen zu wirken und faire Arbeitsbedingungen für alle zu ermöglichen.
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Das Recht auf umfassende medizinische Versorgung garantieren
Der Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht und muss unabhängig von der Herkunft, der Sprache oder dem ausländerrechtlichen Status für alle Bewohner_innen Deutschlands möglich sein.
Rechtliche Hürden abbauen
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung darf nicht durch Regelungen erschwert werden, die vorrangig der Durchsetzung migrationspolitischer Erwägungen dienen. Er muss unabhängig vom ausländerrechtlichen Status ermöglicht werden. Schutzsuchende und Geduldete müssen von Anfang an die gleichen Gesundheitsleistungen erhalten wie in der Gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte.
Vielfaltskompetenz und diskriminierungssensible Gesundheitsversorgung sicherstellen
Eine gute Gesundheitsversorgung muss die unterschiedlichen Bedarfe der heterogenen Bewohnerschaft erkennen und befriedigen können. Dafür müssen Aus- und Weiterbildung für medizinisches Personal die Themen Vielfaltskompetenz und Diskriminierungssensibilität umfassen. Um eine gute Kommunikation zwischen Patient_innen und medizinischem Personal zu gewährleisten, muss Sprachmittlung zur Verfügung stehen und finanziert werden.
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Familien schützen und stärken
Familien kommt bei der Bewältigung der durch Migration entstehenden Herausforderungen und beim "Heimischwerden" eine zentrale Bedeutung zu. Der Deutsche Caritasverband tritt für das Recht auf familiäres Zusammenleben ein und für eine Familienförderung, die die Teilhabe aller Familienmitglieder unterstützt.
Zugang zu familienbezogenen Leistungen für alle Familien
Die Förderung von Familien in Deutschland muss sich am Bedarf und nicht an einem etwaig vorhandenen Migrationshintergrund orientieren. Daher dürfen die Familienförderung und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht zwischen rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländer_innen und Deutschen unterscheiden.
Kinderrechte für alle garantieren
Ausländerrechtliche Regelungen dürfen keinen Vorrang vor dem Kindeswohl haben. Die UN-Kinderrechtekonvention muss in vollem Umfang umgesetzt werden.
Migrationsrecht familienfreundlich gestalten
Familienfeindliche Regelungen im Migrationsrecht müssen abgebaut werden und alle neuen Gesetzesvorhaben auf ihre Vereinbarkeit mit dem Schutz und der Förderung von Familien geprüft werden.
Gleichstellung der Geschlechter fördern
Bei der Umsetzung des Gleichstellungsgebots gibt es Defizite. Insbesondere müssen Benachteiligungen von Frauen mit Migrationshintergrund im Arbeitsleben abgebaut und gleichberechtigte Teilhabe am Bildungs- und Erwerbsleben gefördert werden. Ausgrenzung, Abwertung und Gewalt gegen Frauen müssen im privaten und im öffentlichen Bereich bekämpft und Schutz gewährleistet werden.
In Würde alt werden
Ältere Menschen mit Migrationshintergrund müssen stärker als Zielgruppe der Seniorenhilfeeinrichtungen und Beratungsdienste wahrgenommen werden. Angebote zur Unterstützung älterer Menschen und ihrer pflegenden Angehörigen müssen diversitätssensibler werden.
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Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität zu ihren Rechten verhelfen
Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität sind Teil der gesellschaftlichen Realität in Deutschland. Das staatliche Regelungsinteresse darf nicht dazu führen, dass diese Personen elementare Rechte nicht wahrnehmen können.
Bestehende Rechtsansprüche durchsetzen - Übermittlungspflichten einschränken
Rechte, deren Inanspruchnahme nicht durch Angst vor Entdeckung oder Abschiebung verhindert werden darf, sind etwa der Anspruch auf medizinische Versorgung, das Recht auf Bildung oder der Anspruch auf angemessenen Lohn. Hierfür müssen Übermittlungspflichten eingeschränkt und die Inanspruchnahme von Rechten und Ansprüchen tatsächlich ermöglicht werden.
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Opfer von Menschenhandel schützen und Perspektiven eröffnen
Menschenhandel stellt eine schwere Menschenrechtsverletzung dar. Dieses abscheuliche Verbrechen findet weltweit und auch in Deutschland statt. Im Zentrum aller Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels muss der Opferschutz stehen. Deshalb müssen ausreichend Schutz- und Beratungsangebote zur Verfügung stehen und Perspektiven einschließlich eines Aufenthaltsrechts für Gehandelte entwickelt werden.
Behörden und Fachkräfte sowie Verbraucher_innen sensibilisieren und informieren
Um wirksam gegen Menschenhandel vorgehen zu können, muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Menschenhandel und Arbeitsausbeutung auch in Deutschland stattfinden. Auch um Maßnahmen gegen die Täter_innen ergreifen zu können, muss über die Hintergründe und über Handlungsoptionen informiert werden.
Opfer stärken, Täter_innen zur Rechenschaft ziehen
Nicht nur die Täter_innen im eigentlichen Sinn profitieren vom Menschenhandel. Es müssen deshalb alle, die in der Kette profitieren bis hin zu den Empfänger_innen von Werk- oder Dienstleistungen, in den Blick genommen und gegebenenfalls bestraft werden. Dabei dürfen Ausländer- und Strafrecht die Opfer nicht zu Täter_innen machen. Die Opfer müssen vielmehr gestärkt werden, um ihre Rechte angstfrei in Anspruch nehmen zu können.
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Migrations- und Flüchtlingspolitik fair und menschenrechtsorientiert gestalten
Flüchtlinge zu schützen ist eine rechtlich bindende Pflicht und eine humanitäre Verantwortung, der Deutschland und die EU gerecht werden müssen. Unabhängig von der Flüchtlingsaufnahme muss Migration im Interesse der Gesellschaft in Deutschland, der Migrant_innen und der Herkunftsgesellschaften gestaltet werden.
Menschenrechte schützen, Vertrauen bewahren
Einwanderungsregelungen stehen in einem weiten Ermessen der Staaten, müssen aber auch die Rechte von Migrant_innen beachten. Dies gilt insbesondere für die Menschen- und die Grundrechte.
Verantwortung über Grenzen hinweg wahrnehmen
Eine verantwortungsvolle Migrationspolitik muss Migrationsursachen (einschließlich der Gründe für Flucht und Vertreibung) und auch die Folgen im Blick haben, die Migration für die Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten der Herkunftsländer hat.
Arbeitskräften legale Zuwanderung ermöglichen
Migrationspolitik soll gestalten und steuern. Zuwanderungsregelungen müssen humanitäre Standards umsetzen und sollten Arbeitsmigrant_innen legale Perspektiven in Würde und Sicherheit eröffnen.
Flüchtlinge schützen
Unbedingt zu achten sind das Recht auf Asyl und die Verpflichtungen des Flüchtlingsschutzes. Dazu gehören faire und rechtsstaatliche Asylverfahren ebenso wie eine angemessene Versorgung von Schutzsuchenden. Weiter ist es (menschen-)rechtlich geboten, Teilhabe frühzeitig zu ermöglichen.
Rückkehr in Sicherheit und Würde sicherstellen
Die freiwillige Rückkehr muss Vorrang vor zwangsweisen Abschiebungen haben und ohne unangemessenen Druck möglich sein. Wenn es zu einer zwangsweisen Rückführung kommt, sind in allen Phasen der Rückführung die Rechte der Abzuschiebenden zu wahren. Freiheitsbeschränkungen und insbesondere Haft dürfen nur ultima ratio sein.
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